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Kriege, Krisen und die Queen

ARD-Auslands-Korrespondenten berichten Oberschülern aus Tel Aviv, Kairo und London

Fotos und Text von Vivian Münzel

Woher kommen unsere Nachrichten über das Ausland? Wieso können wir uns auf die Informationen in der Tagesschau verlassen? Und wie ist es, aus Krisengebieten zu berichten?

Diese und andere Fragen konnten die 8.-, 9.- und 10.-Klässler der Wahlpflichtkurse Medienkompetenz und Schulblog einigen Korrespondentinnen und Korrespondenten der ARD stellen – und das live. Im Rahmen des Jugendmedientages fanden die Gespräche per Videoschalte statt, aus den schuleigenen PC-Räumen. Organisiert hat den Jugendmedientag der öffentlich-rechtliche Rundfunk, deutschlandweit gab es unterschiedliche Angebote rund um das Thema Nachrichten.

In der ersten Videoschalte sind die Schülerinnen und Schüler mit der Auslandskorrespondentin Sophie von der Tann in Tel Aviv verbunden. Sie berichtet regelmäßig unter anderem für die Tagesschau aus Israel. Während des Gesprächs sitzt sie in ihrem „Bunker", einem Raum in ihrer Wohnung, der verstärkte Wände hat und eine Eisenplatte vor den Fenstern. In diese Räume ziehen die Menschen sich zurück, wenn es Raketenalarm gibt. „Allerdings ist das Leben in Tel Aviv inzwischen wieder erstaunlich normal, die Cafés haben geöffnet, auf den Straßen sind Menschen unterwegs. Das sieht in den Grenzregionen zum Libanon und auch in Gaza natürlich ganz anders aus."

Bei Raketenalarm Zuflucht in Bunkern

In einem kleinen Einspielfilm können die Schülerinnen und Schüler der Korrespondentin nun dabei zusehen, wie sie während einer Live-Schalte mit dem deutschen Fernsehen spricht. Die Journalistin trägt eine kugelsichere Weste mit der Aufschrift „Press“ und einen Helm, in der Hand ein Mikrofon. „Haben Sie keine Angst, aus einem Krisengebiet zu berichten?“, fragt ein anderer Schüler nach dem Einspielfilm. „Ich habe zum Glück selten richtig Angst. Das hat aber auch sehr viel damit zu tun, dass das Team hier vor Ort sich sehr viele Gedanken über die Sicherheitslage macht und wir sehr genau überlegen, wo wir hinfahren. Natürlich ist die Sicherheitslage herausfordernd. Aber in Tel Aviv haben wir bei Raketenalarm noch Zeit, in die Schutzräume zu gehen. Anders sieht es da schon aus, wenn man aus der Grenzregion berichtet. Und katastrophal sind die Zustände für unsere Ortskräfte in Gaza. Wirklich sichere Orte gibt es in dort nirgends.“ Zudem sei das Handynetz sehr schlecht. Immer wieder brächen Verbindungen ab, wenn Drehmaterial überspielt werden müsse. Den besten Empfang gebe es noch in den Krankenhäusern, von wo aus die Ortskräfte dann oft arbeiten würden.

Gaza: Wir können uns das Ausmaß an Zerstörung und Leid kaum vorstellen

„Für uns internationale Journalisten ist die Situation sehr unbefriedigend. Wir dürfen nur in Begleitung des israelischen Militärs nach Gaza. Man nennt das „embedded“. So gelangen wir natürlich nur an Orte, die wir auch sehen dürfen. Das ist ein riesiges Problem für die Kriegsberichterstattung und eine massive Einschränkung der Pressefreiheit“, erklärt Sophie von der Tann. Die deutsche Journalistin berichtet als Korrespondentin seit 2021 für die ARD aus Tel Aviv. „Ist der Krieg in Gaza wirklich so schlimm, wie alle sagen?", möchte eine Schülerin wissen „Ich glaube, wir können uns das kaum vorstellen, weil wir nicht selbst an die Orte in Gaza können. Aber es gibt zehntausende Tote, sehr viel Zerstörung, was wir auf Satellitenbildern sehen können. Hilfsorganisationen berichten uns zudem von einer katastrophalen humanitären Lage. Ich glaube, das Ausmaß des Leids wird uns noch sehr, sehr erschrecken, wenn wir es irgendwann mit eigenen Augen sehen“, so von der Tann.

Bei ihrem Antritt im ARD Studio Tel Aviv vor drei Jahren hat sie nicht ahnen können, dass sie einst über den schlimmsten Terrorangriff in der Geschichte Israels und den furchtbarsten Krieg in der Geschichte des Gazastreifens berichten würde. Die Balance zu halten, sei eine große Herausforderung. „Es ist ein extrem aufgeladener Konflikt. Und wir Journalistinnen und Journalisten müssen auf der einen Seite eine professionelle Distanz wahren, um unparteiisch berichten zu können, und auf der anderen Seite auch empathisch sein, also mitfühlend, um die Menschen zu verstehen und ihre Geschichten gut erzählen zu können."

Vier-Augen-Prinzip

Eines der Themen in den Wahlpflichtkursen Medienkompetenz und Schulblog ist die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Informationen, insbesondere in den Sozialen Medien. Welche Quellen sind verlässlich? Und wozu brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt? Die heutigen Gespräche mit echten Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten der Tagesschau sind da eine wertvolle Ergänzung zum Unterricht. Im seriösen Journalismus ist beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip eine Grundregel in der Berichterstattung. In den Redaktionen in Deutschland werden Fakten gegengecheckt, es gibt immer Redakteure, die die Beiträge und Texte „abnehmen“, also gegenlesen und Fakten überprüfen. „Das Anstrengendste in meinem Job ist die ständige Abwägung in diesem komplizierten Konflikt und die Frage, ob alles ausgewogen ist."

„Haben Sie Freunde in Israel?“, möchte eine Schülerin wissen. „Ja, ich habe Freunde hier. Das ist auch total wichtig für mich, um mich hier zu Hause zu fühlen. Und auch, um das Land besser zu verstehen. Ich habe Freunde in Tel Aviv, aber auch im Westjordanland. Und ich habe nach wie vor auch Kontakt zu Menschen im Gaza-Streifen.“

Nach der Videoschalte mit Sophie von der Tann findet das zweite Gespräch an diesem Vormittag mit dem ARD-Korrespondenten Ramin Sina aus dem ARD-Studio Kairo statt. Sein Berichtsgebiet erstreckt sich über die gesamte arabische Welt, von Ägypten über Syrien bis in den Oman, vom Südsudan bis Libyen. Insgesamt 15 Länder umfasst sein Berichtsgebiet. „Wie verständigen Sie sich denn? Können Sie alle Sprachen sprechen?", fragt ein Schüler. Korrespondent Sina erklärt, dass sein Ägyptisch okay sei, ebenso sein Arabisch. Und in den meisten Ländern werde Arabisch gesprochen, wenn auch mit unterschiedlichen Dialekten. Aber auch mit Englisch käme man gut weiter. Und dort, wo es noch Sprachbarrieren gebe, seien sogenannte Producer mit dabei, also Einheimische, die dolmetschen und bei komplexen Sachverhalten übersetzen würden.

Faszinierendes Land: Der Jemen

„Welches ist das spannendste Land, in dem Sie bisher waren?“, möchte eine anderere Schülerin wissen. „Im arabischen Raum ist das der Jemen“, erklärt Sina. Dieses Land und seine Menschen seien für ihn besonders faszinierend, weil der Kontrast zum Bekannten so stark sei. Es begänne bei der traditionellen Kleidung der jemenitischen Männer, ihre langen Haaren und der obligatorische Dolch, den sie immer bei sich trügen. Dazu der extrem begrenzte westliche Einfluss, man fände nirgendwo einen McDonalds. Und nicht zuletzt die besondere Berglandschaft sowie die Jahrtausende alten Städte, die ihn beeindrucken würden.

Der WPK Schulblog der 9./10.-Klässler konnte in einer Videoschalte direkt mit der ARD-Hörfunkkorrespondentin in London, Gabi Biesinger, sprechen. „Neben den politischen Themen in Großbritannien berichten wir natürlich ganz häufig über das Königshaus“, so Biesinger. Sie habe schon aus dem United Kingdom berichtet, als die Queen noch lebte, denn sie ist seit August 2021 wieder als Korrespondentin vor Ort. Neben vielen bunten Themen gehören aber auch dramatische Geschichten zu ihren Berichtsthemen, so zum Beispiel auch die Gespräche mit Geflüchteten in Südengland, die zuvor den Ärmelkanal überquert hatten.

Tränenreiche Abschiede

„Kommen Sie irgendwann auch wieder nach Deutschland oder bleiben sie jetzt immer in London?“, will ein Schüler wissen. „Es gibt ein Wechselprinzip, in der Regel bleiben die Auslandskorrespondenten drei bis fünf Jahre vor Ort“. Die Abschiede seien dann oft sehr tränenreich, so Biesinger, da man sich am Einsatzort ja auch ein Leben aufgebaut habe.

Für die Schülerinnen und Schüler war der Jugendmedientag und der Austausch mit den Journalistinnen und Journalisten eine interessante Erfahrung. Und das Gespräch mit den Menschen hinter den Berichten kann im besten Fall das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut recherchiert und verlässlich sind.

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