80 Jahre Kriegsende - Schüler gedenken Opfern des Nazi-Regimes
Ein Text von Vivian Münzel, Fotos: Sabine Bussmann und Vivian Münzel
„Ich kann einfach nicht verstehen, warum zwei kleine Mädchen sterben mussten, nur weil sie in der Bombennacht im Bunker vor Angst und Verzweiflung weinten", sagt Josephine, und es ist ganz still in der Aula der Oberschule am Buchwedel. „Die Mädchen wurden in die Heil- und Pflegeanstalt in Lüneburg eingewiesen und dort später ermordet. Die Kleinste war bei ihrem Tod erst vier Jahre alt." Josephine sowie drei weitere Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen hielten bewegende Vorträge - und erinnerten damit an die Gräueltaten des Nazi-Regimes vor mehr als 80 Jahren. Im Rahmen der Euthanasie war Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen die Lebensberechtigung abgesprochen worden. Friedrich Buhlrich, der Stiefbruder der beiden kleinen Mädchen, hatte die 9. Klassen in der Oberschule am Buchwedel besucht und ihnen vom Leben seiner Geschwister erzählt. Der Blog am Buchwedel hatte damals darüber berichtet.
Erinnerung an die Opfer
Josephine Heinsen, Alexander Horn, Neo Haupt und Annika Schulz hielten ihre Vorträge in der Oberschule am Buchwedel im Rahmen der Veranstaltung „80 Jahre Kriegsende - Momente der Erinnerung", bei der auch verschiedene Vertreter der Steller Gemeinde, Historiker sowie die Steller Musikanten, das lokale Blasorchester, anwesend waren. Gemeinsam erinnerten die Beteiligten an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und an das Kriegsende - mit Musik, Vorträgen und persönlichen Berichten entstand ein Abend, der unter die Haut ging. Das Besondere: Es waren vor allem regionale Ereignisse, die thematisiert wurden. So ging es etwa um die Teilkapitulation der nördlichen Wehrmachtstruppen am Timelo-Berg in Wendisch Evern bei Lüneburg. Der Steller Gemeinde-Archivar zeigte Bilder aus Stelle aus der Zeit während des Zweiten Weltkrieges und aus den Nachkriegsjahren. Die Steller Musikanten umrahmten den Abend mit mehreren Stücken. Besonders eindrücklich war der Moment, als das Orchestermitglied Heiko von Bargen von der jüngsten Reise des Orchesters nach Cheb in Tschechien berichtete. Sie hatten dort gespielt und in diesem Rahmen auch eine Kriegsgräberstätte besucht. Von Bargen stand dort erstmals am Grab seines Großvaters Jakob. Er war in Tschechien an der Front gefallen. Seine sterblichen Überreste hatte man erst in jüngerer Vergangenheit identifizieren können.
Desinformation, Hass und Hetze
Durch den Abend in der Schul-Aula führte die Ratsvorsitzende Gisela Gehrdau-Schröder, der Steller Bürgermeister Robert Isernhagen fand am Ende der Veranstaltung ebenfalls mahnende Worte und betonte, wie wichtig das Erinnern ist. „Auch ihr habt nun sicher ein großes Interesse daran, weiter zu forschen und noch mehr über die Vergangenheit zu erfahren", sagte er mit Blick auf die vier Schülerinnen und Schüler unserer Oberschule. Und an die Vergangenheit zu erinnern und sich mit ihr zu beschäftigen sei elementar, gerade in Hinblick auf das Erstarken rechtsextremer Kräfte in unserem Land. Der Lüneburger Geschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge mahnte: „Auf dem Weg hierher hörte ich im Radio, dass mehr als dreißig Prozent der Bevölkerung einen Schlussstrich unter unsere Geschichte ziehen möchten." Die Geschichtslehrerin Vivian Münzel erklärte, es sei im Rahmen des aktuellen Weltgeschehens besonders herausfordernd, Politik und Geschichte zu unterrichten. „Es war noch nie so leicht, an Informationen zu kommen. Und gleichzeitig noch nie so unübersichtlich. Unsere Schülerinnen und Schüler sind in den Sozialen Medien mit Desinformation, Hass und Hetze konfrontiert. Wir versuchen, Orientierung zu geben und aufzuklären."
Ein Abend, der nachwirkt
Die Beteiligten des Abends sind sich einig - nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch die Zukunft klug gestalten, damit sich Fehler nicht wiederholen. Josephine, Alexander, Neo und Annika haben das längst verstanden. Als die letzten Klänge der Musik verstummen, bleibt ein Gefühl der Verbundenheit.